Hintergrundinformationen
Konsument:innen interessieren sich vermehrt dafür, für welche Wertvorstellungen eine Institution bzw. ein Unternehmen stehen (vgl. Stengel/Rennhak 2011, S. 1f.), gleichzeitig steigt deshalb der Anspruch an deren Außendarstellung. Insbesondere ist dies der Fall bei Symbolen mit außerordentlich großer Öffentlichkeitswirkung wie denen der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals: SDGs), die „inzwischen zu einem Markenzeichen der Nachhaltigkeitsagenda 2030 geworden [sind]“ (Adick 2024, S. 215). Festgehalten werden muss an dieser Stelle, dass die Entwicklung der Icons als Campaign Brand (vgl. ebd., S. 221) bzw. Brand Identity (vgl. Stengel/Rennhak 2011, S. 2f.) die Interpretation des Designers Jakob Trollbäck der Nachhaltigkeitsagenda der UN (vgl. Adick 2024, S. 223) darstellt. Zudem erfolgte die Finanzierung des Brandings nicht durch die UN, sondern durch die private Wohltätigkeitsorganisation Project Everyone (vgl. ebd., S. 222).
Dementsprechend unsicher sind die tatsächlichen Motivationen der Beteiligten hinter den SDG-Icons. Da die Materialien der BNE-BOX besonders auf die Förderung von Gestaltungskompetenzen ausgerichtet sind (vgl. Anselm/Breit/Hammer-Bernhard 2022 sowie zu Gestaltungskompetenz als wichtigem Teil der BNE Molitor 2014, S. 28), erscheint es wichtig, Stellung zu der Leerstelle zu beziehen, wie mit den SDG-Icons pädagogisch produktiv im Rahmen von BNE-Unterricht verfahren werden kann. Bilder sollen im Rahmen von BNE ein neues, nachhaltiges Weltbild bei den Betrachtenden schaffen (vgl. Adick 2024, S. 228), dazu benötigt es Mehrperspektivität, die Reflexion von Leitbildern und Interaktivität mit anderen Akteur:innen (vgl. Jahn/Haspel 2014, S. 91). Es lässt sich nämlich kritisch zur SDG-Ikonographie anmerken, dass diese einerseits zu unterkomplex sind (vgl. Adick 2024, S. 228), andererseits quasi nur eine „Verlängerung“ der UN und ihrer Haltungen sowie die nur eigene Interpretation des Designers Jakob Trollbäck darstellen könnte (vgl. ebd., S. 221f.).
Ein bewusst gestalteter und auch gemeinsamer Medienkonsum kann der Reflexion der eigenen Haltungen zuträglich sein (vgl. Payrhuber 2024, S. 254f.), denn auch unnötige Komplexitätsreduktion ist kritisch zu beleuchten (vgl. Aniobi et al. 2021, S. 8). Aus diesem Grund steht die Beschäftigung mit den SDG-Icons, ihrer Entstehung und ihrer Außenwirkung in der vorliegenden Unterrichtseinheit im Mittelpunkt.
Ablauf
Benötigtes Material
- Die einzelnen SDG-Icons als großformatige Drucke für einen Classroom Gallery Walk (für Anlaufstellen hierzu siehe Hinweise und Materialien)
- Analog oder digital zur Verfügung gestellte Informationen zu den einzelnen SDGs (siehe Hinweise)
- Analoge (Mal- und Zeichenwerkzeuge) und/oder digitale (z.B. Designsoftware wie Canva oder Adobe InDesign) Gestaltungsmöglichkeiten für das spätere Gestalten „neuer“ SDG-Icons
Vorbereitung
- Die Methode Classroom Gallery Walk die als Einstieg sowie Sicherung genutzt wird, sollte bereits vorbereitet sein, wenn die Schüler:innen den Klassenraum betreten. Möglicherweise braucht es hierzu Stellwände, Platz an einer oder mehreren Wänden des Klassenzimmers und/oder einen Beamer.
Durchführung
- Als Einstieg in die Unterrichtseinheit machen sich die Schüler:innen in einem ersten Classroom Gallery Walk zunächst nur mit den Icons der einzelnen SDGs vertraut. Nach dem Gallery Walk gibt die Lehrkraft einen Input zu Hintergrund und Idee der SDGs und der Nachhaltigkeitsagenda der UN und präsentiert in diesem Zusammenhang auch die Gesamtübersicht der Icons.
- Die nachfolgende Hauptarbeitsphase der Unterrichtseinheit basiert auf der Methode Think – Pair – Share (vgl. Hornby/Greaves 2023, S. 82f. und bpb 2013). Ziel ist, den Schüler:innen ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, dass Institutionen stark und transparent sein sollen (so fordert es SDG 16, vgl. BMUV 2025) und deshalb über eine starke, zeitgleich aber auch transparente Brand Identity verfügen müssen. Als ersten Schritt bekommt daher jede:r Schüler:in ein SDG zugelost, mit dem nachfolgend in der Methode weitergearbeitet wird.
- In der Think-Phase setzen sich die Schüler:innen nun mit Informationen zu ihrem jeweiligen SDG auseinander, außerdem haben alle Lernenden die Möglichkeit, Informationen zur Entstehungsgeschichte der SDG-Ikonographie einzusehen (für Letzteres findet sich bpsw. für leistungsstarke Lernende ein Auszug aus einem Aufsatz von Christel Adick in den Materialien zu dieser Unterrichtseinheit).
- In der Pair-Phase finden sich die Schüler:innen nun in Gruppen zusammen. Auf Basis der Think-Phase „reframen“ sie (vgl. Böhnisch 2020, S. 98f.) ihr jeweiliges SDG und gestalten in Partner:innenarbeit „neue“ Alternativen zu ihren jeweiligen SDG-Icons. Diese Phase spricht die für BNE essenziellen Gestaltungskompetenzen nach de Haan an (vgl. Aniobi et al. 2021, S. 8) und dient vor allem dazu, den Schüler:innen ein Gefühl für die innere Verwobenheit der einzelnen Ziele für Nachhaltige Entwicklung zu vermitteln.
- Die abschließende Share-Phase dient zugleich als Sicherung des in der Unterrichtseinheit Gelernten: In einem zweiten Classroom Gallery Walk werden die „neuen“ SDG-Icons den ursprünglichen gegenübergestellt. In einem gemeinsamen Aushandlungsprozess ordnen die Schüler:innen schließlich ihre „neuen“ SDG-Icons in einer der Originalübersicht ähnlichen oder auch bewusst abgewandelten Grafik an, die dauerhaft im Klassenzimmer präsent bleiben kann. Ein Fokus könnte hier beispielsweise auf die Unterschiede in der kreisförmigen bzw. rechteckigen Darstellung der 17 Ziele gelegt werden, ebenfalls ließe sich auch die Methode Vernetzungsspiel einbauen, um die vielfältigen Interdependenzen der SDGs abschließend haptisch-visuell darzustellen.
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Hinweise
- Der Fokus der Unterrichtseinheit liegt auf der kreativen Beschäftigung mit den SDGs und der dahinterstehenden Agenda, nicht auf einer künstlerisch möglichst gelingenden Verarbeitung. Aus diesem Grund ist von Bewertung, sowohl durch die Lehrkraft als auch in der Share-Phase durch die Mitschüler:innen abzusehen.
- Vielfältige Informationen zu den einzelnen SDGs finden sich außer in den Materialien zu dieser Unterrichtsidee beispielsweise auf der offiziellen Webseite der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung oder auf der Webseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
- Für weitergehende Impulse zu den SDGs lassen sich auch die sogenannten Inner Development Goals, deren Brand Design ebenfalls von Trollbäck + Company entwickelt wurde, als Inspirationsmaterial einbinden.
Differenzierungsmöglichkeiten
- In jüngeren oder leistungsschwächeren Lerngruppen ist auch denkbar, die Schüler:innen durch Leitfragen, beispielsweise zur Wirkung des jeweiligen Icons auf den oder die Betrachter:in oder zur farblichen und ikonografischen Gestaltung, an die Beschäftigung mit „ihrem“ SDG in der Think-Phase heranzuführen.
- Mit jüngeren Schüler:innen kann der Fokus eher auf die gestalterische Auseinandersetzung mit den SDGs als ihre teils undurchsichtige Entstehungsgeschichte gelegt werden. Dabei sollte noch altersgerechter an die Idee der 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung herangeführt werden und die ikonografische Referenzialität der Icons mit dem Inhalt in den Fokus gerückt werden.
- Für besonders motivierte Lerngruppen kann der fachwissenschaftliche Aufsatz von Christel Adick (in den Materialien) zur Entstehung der SDGs und dem pädagogisch-didaktischen Umgang mit diesen herangezogen werden.
Mehr Informationen zu grundlegenden Differenzierungsmöglichkeiten
BNE-Kompetenzen
Wissen aufbauen, das weltoffen ist und neue Perspektiven integriert:
In der Beschäftigung mit der teilweise undurchsichtigen Historie der SDG-Icons erfahren die Schüler:innen, dass die Geschichte und Hintergründe von öffentlichkeitswirksamen Firmen, Marken und Initiativen mit beleuchtet werden müssen, um zu einer eigenen Einschätzung (Haltung) gelangen zu können.
Risiken, Gefahren und Unsicherheiten erkennen und abwägen:
Durch die Beschäftigung mit den SDG-Icons wird den Schüler:innen bewusst, dass Corporate Designs und Brandings nie vollumfänglich die von einer Institution vertretenen Wertvorstellungen abbilden können, was kommunikative Risiken, Gefahren und Unsicherheiten birgt.
Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen:
Die Historie der SDG-Icons zeigt den Schüler:innen auf, dass Kompromisse geschlossen werden müssen, wenn es um öffentlichkeitswirksame Darstellung geht.
Gemeinsam mit anderen planen und handeln:
Durch das „Designen“ eigener SDG-Icons erfahren die Schüler:innen, dass Corporate Design bewusst und mehrperspektivisch geplant und durchgesetzt werden muss.
Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren:
Die Schüler:innen reflektieren die durch die SDG-Icons transportierten Wertvorstellungen, erkennen Leerstellen und thematisieren, wie sich das neue Wissen auf ihre ursprüngliche Haltung zu den SDGs auswirkt.
Vorstellungen von Gerechtigkeit als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage nutzen:
Die Schüler:innen reflektieren, dass Wertvorstellungen generell, aber Gerechtigkeit im Besonderen Eingang in das Branding und die Identität von Firmen, Marken und Initiativen wie den SDGs finden kann.
Quellenverzeichnis
Adick, Christel (2024): Bildung für nachhaltige Entwicklung visuell. Entstehungskontext und pädagogische Anwendungen der SDG-Icons. In: Björn Maurer, Marco Rieckmann, Jan-René Schluchter (Hrsg.): Medien – Bildung – Nachhaltige Entwicklung. Inter- und transdisziplinäre Diskurse. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. S. 215-243
Anselm, Sabine; Breit, Magdalena und Hammer-Bernhard, Eva (2022): BNE-Kompetenzen für Lehrende und Lernende. In: BNE-BOX. Fachdidaktisch konzipierte Lehr-Lernmaterialien für diskursiv gestalteten Unterricht in allen Fächern. Online: https://www.bne-box.lehrerbildung-at-lmu.mzl.lmu.de/bne-kompetenzen/ (Stand: 06.02.25).
Anselm, Sabine und Weigand, Alina (2025): Classroom Gallery Walk. Oder: eine Ausstellung mit Diskussionspotenzial. In: BNE-BOX. Fachdidaktisch konzipierte Lehr-Lernmaterialien für diskursiv gestalteten Unterricht in allen Fächern. Online: https://www.bne-box.lehrerbildung-at-lmu.mzl.lmu.de/classroom-gallery-walk/ (Stand: 06.02.25).
bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (2013): Think-Pair-Share. Online: https://www.bpb.de/lernen/angebote/grafstat/partizipation-vor-ort/155251/think-pair-share/ (Stand 06.02.25).
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2025): SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Online: https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsziele-sdgs/sdg-16-frieden-gerechtigkeit-und-starke-institutionen (Stand: 06.02.25).
Böhnisch, Lothar (2020): Sozialpädagogik der Nachhaltigkeit: eine Einführung. Weinheim: Beltz Juventa.
Hornby, Garry und Greaves, Deborah (2023): Evidenzbasierte Lehrstrategien. Optimierung des Bildungserfolgs von Schülerinnen und Schülern. Cham: Springer.
Jahn, Markus und Haspel, Michelle (2014): Was macht ‚gute‘ BNE aus? – Auf der Suche nach zentralen Kriterien der Gestaltungskompetenz. In: Ulrich Michel et al.: Digitale Medien in der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Potenziale und Grenzen. München: oekom. S. 88-94.
Molitor, Heike (2014): Bildung durch digitale Medien? Konsequenzen für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Ulrich Michel et al.: Digitale Medien in der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Potenziale und Grenzen. München: oekom. S. 25-32.
Payrhuber, Andrea (2024): Bildung im Bereich der BNE unter Berücksichtigung von Medienkompetenz und Werthaltungen der Akteur:innen. In: Björn Maurer, Marco Rieckmann, Jan-René Schluchter (Hrsg.): Medien – Bildung – Nachhaltige Entwicklung. Inter- und transdisziplinäre Diskurse. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. S. 243-259.
Schneider, Christoph (2025): Think – Pair – Share. Miteinander reden. Weiter denken. In: BNE-BOX. Fachdidaktisch konzipierte Lehr-Lernmaterialien für diskursiv gestalteten Unterricht in allen Fächern. Online: https://www.bne-box.lehrerbildung-at-lmu.mzl.lmu.de/think-pair-share/
Stengel, Shireen und Rennhak, Carsten (2011): Corporate Identity – Aktuelle Trends und Managementansätze. In: Carsten Rennhak und Gerd Nufer (Hrsg.): Reutlinger Diskussionsbeiträge zu Marketing & Management 08/2011. Reutlingen. S. 1-27.