Hintergrundinformationen
Unsere Gesellschaft sieht sich auf lokaler wie globaler Ebene vielfältigen ökologischen, politischen und sozialen Herausforderungen ausgesetzt, die – teilweise ineinander verschränkt, teilweise voneinander unabhängig – die Entwicklung unseres Planeten in den nächsten Jahrzehnten entscheidend prägen werden.
Es ist davon auszugehen, dass Schüler:innen einen passenden Zugang zu diesen Herausforderungen medial auch über die Beschäftigung mit entsprechend ausgewählten Songs finden können, denn „89 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen hören regelmäßig Musik, 62 Prozent sogar täglich“ (JIM-Studie 2022, S. 20f.), bei Kindern im Alter von sechs bis 13 Jahren sind es immerhin 68 Prozent, die dies mindestens wöchentlich tun (vgl. KIM-Studie 2022, S. 24). Musik als Kunstform hat das Potenzial, Emotionen auszulösen sowie die Persönlichkeitsentwicklung und die Förderung von sozialen Kompetenzen bei Schüler:innen zu unterstützen (vgl. Kuhbandner/Frenzel 2019, S. 199). Insofern bietet sich eine „musikalische Herangehensweise“ im Unterricht gerade für gesellschaftlich wichtige Fragen an.
Der österreichische Hip-Hop-Musiker Dame beschreibt in seinem 2015 erschienenen Song “Tagträume” exemplarisch einige dieser Herausforderungen, die seiner Idee “von einer besseren Welt, so schön wie der Garten Eden” (Zitat aus dem Refrain des Liedes [1]) entgegenstehen. Konkret spricht er religiösen Fanatismus, konfliktbedingte Flucht und die ungerechte Verteilung von Ressourcen sowie umweltschädliches Verhalten aufgrund kapitalistischer Bemühungen an.
Zwar stellt der Künstler in der Bridge des Songs verschiedene uns zur Verfügung stehende Ressourcen heraus, jedoch liefert er kaum konkrete Lösungsvorschläge. Unter der ebenfalls dem Lied entstammenden Prämisse, “Wir könnten heute beginnen und dann schon morgen berichten” sollen die Schüler:innen sich daher in Gruppen einigen der im Song erwähnten Herausforderungen im Rahmen einer durch Klangskulpturen ergänzten Zukunftswerkstatt (vgl. Anselm/Hammer-Bernhard/Hoiß 2021) annähern.
[1] Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und seines Managements.
Ablauf
Benötigtes Material
Digital verfügbares Material:
- Text des Liedes (evtl. in ausgedruckter Form für Annotationen)
- Materialien für die Zukunftswerkstatt
Material, das zusätzlich benötigt wird:
- Laptop, Beamer und Audioanlage, um das Musikvideo zu zeigen
- Flipchart-Blätter und Stifte für jede Gruppe
Vorbereitung
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- Vor Unterrichtsbeginn werden bereits Gruppentische für vier bis sechs Personen zusammengestellt, die idealerweise einen Raum für die später entstehenden Klangskulpturen in der Mitte des Klassenzimmers bieten. Die Gruppen lassen sich entweder durch freie Verteilung der SuS an die Gruppentische oder auch durch Zuweisung durch die Lehrperson bilden.
Durchführung
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- Der Einstieg in die Unterrichtseinheit kann selbst gewählt werden. Die Gruppenarbeitsphase startet für alle Gruppen damit, dass die Lehrperson Umschläge an die Gruppen verteilt. In diesen finden sich als Arbeitsimpulse Zitate aus dem Song, die zu den oben (siehe „Hintergrundinformationen“) analysierten Oberthemen passen, sowie bei Bedarf weiterführendes Recherchematerial als QR-Codes.
- Dann beginnt eine Kritikphase, in welcher die Schüler:innen die in den Textpassagen angesprochenen Herausforderungen kritisch beleuchten. In diesem Zusammenhang entstehende Ergebnisse können in jeder Phase der Methode auf Flipchart-Blättern festgehalten werden. Der Einstieg in die Kritikphase erfolgt kreativ-experimentell über die Methode der Klangskulpturen (vgl. Borengässer/Hammer-Bernhard 2021): Auf Basis der in der Textpassage benannten Herausforderung für Welt und Gesellschaft erarbeitet jede Gruppe ein Geräusch oder einen Klang, der die Herausforderung abbildet – dies kann auf abstrakte Weise erfolgen oder auch durch die Vertonung konkreter Begriffe. Die Gruppen spielen sich gegenseitig ihren Klang vor, bevor alle Ergebnisse gleichzeitig vorgetragen werden. Sinnvoll kann es sein, abwechselnd Schüler:innen die Rolle der Dirigentin / des Dirigenten übernehmen zu lassen, die die Klänge orchestrieren. Entscheidend ist, dass im Anschluss die Erfahrungen geteilt werden, bevor dann eine kognitive Beschäftigung mit den einzelnen Herausforderungen angeschlossen wird.
- Darauf folgt eine Utopiephase, in welcher sich die Schüler:innen in der Gruppe (gerne auch utopische) Ideen überlegen, wie die in den Textschnipseln angesprochenen Herausforderungen angegangen werden könnten. Diese Ideen sollen entweder pragmatisch-realistisch oder auch künstlerisch-kreativ sein. Unterstützende Recherchen können von den Schüler:innen sowohl selbständig getätigt werden als auch auf Basis der Impulse in den Materialien zu dieser Unterrichtseinheit (beispielsweise zur Niveaudifferenzierung). Zum Ende der Utopiephase werden die Gruppen geteilt: Eine Hälfte wiederholt die Klangelemente aus der Kritikphase, die andere erarbeitet einen neuen, utopischen Klang. Mit den Ergebnissen kann experimentiert werden: Die beiden Klangskultpuren können einzeln vorgetragen werden, sie können synchron ablaufen. Gemeinsam wird überlegt, wie die utopischen Ideen die Ergebnisse der Kritikphase konstruktiv verändern können – auch hier dürfen wieder unterschiedliche Dirigierweisen ausgetestet und anschließend reflektiert werden.
- Vor der abschließenden Realisierungsphase zeigt die Lehrperson nun das Musikvideo zum Song und verteilt die Arbeitsblätter mit dem Songtext; im Anschluss werden ausgehend von den Ergebnissen der Utopiephase und den Eindrücken aus dem Lied konkrete Lösungsansätze gesammelt und abschließend vor der Klasse präsentiert und diskutiert. Sie lassen sich auch in einen größeren Kontext, z.B. ein Schulprojekt oder einen Tag der offenen Tür einbinden und so vor thematisch passenden Stakeholdern (z.B. Lokalpolitiker:innen, Schulleitung, gemeinnützigen Vereinen) präsentieren.
Hinweise und Differenzierungsmöglichkeiten
Für jüngere Lerner:innen lässt sich die Einheit in entlasteter Variante anwenden. Beispielsweise könnte der Fokus mehr auf kreativ-utopische Entwürfe in der Utopiephase als auf die abschließende Realisierungsphase gelegt werden. Außerdem sollte mehr Zeit für die Kritikphase und das Besprechen des Songtextes aufgewendet werden.
Die Unterrichtseinheit lässt sich vielfältig im Fächerkanon anwenden. Beispielhaft sei hier der evangelische Religionsunterricht in der Oberstufe des Gymnasiums genannt, der Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Umwelt-, Wirtschafts- und Friedensethik, aber auch in der Schöpfungstheologie, im Bereich des Bewahrungsauftrags und der Paradieserzählung bietet (vgl. ISB 2024).
BNE-Kompetenzen
Vorausschauend Entwicklungen analysieren und beurteilen:
Den Schüler:innen wird bewusst, dass aktuelle ökologische Probleme in die Zukunft Auswirkungen haben. Sie erwerben die Fähigkeit, mit der Unsicherheit dieses Faktums umzugehen.
Risiken, Gefahren und Unsicherheiten erkennen und abwägen:
Durch die Beschäftigung mit umfassenden Herausforderungen für die Weltgemeinschaft wird den Schüler:innen nicht nur bewusst, dass Abwägungen bezüglich Handlungsoptionen erfolgen müssen, sondern auch, dass die verschiedenen Herausforderungen oftmals in Zusammenhängen stehen.
Gemeinsam mit anderen planen und handeln:
Die Schüler:innen gehen Probleme im großen Stil an, indem sie in Gruppen Vorschläge finden, Lösungen abwägen und Entscheidungen treffen.
An kollektiven Entscheidungsprozessen teilhaben:
Die Schüler:innen nutzen demokratische, informationsbasierte Entscheidungen, um in ihrer jeweiligen Gruppe zu Ergebnissen zu gelangen, die vorgestellt werden können.
Sich und andere motivieren können, aktiv zu werden:
Die Schülerinnen und Schüler überlegen selbstständig Vorschläge in der Zukunftswerkstatt und spielen diese in die Diskussion ein.
Selbstständig planen und handeln:
Die Schüler:innen überlegen selbstständig Vorschläge in der Zukunftswerkstatt und bringen diese in die Diskussion ein.
Vorstellungen von Gerechtigkeit als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage nutzen:
Durch die Gruppenarbeit erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler auf der Mikroebene (der Gruppe) das Wissen um gerechte Verteilung und gerechte Entscheidungen auf der Makroebene (der Weltgemeinschaft, zu der auch die Umwelt gehört).
Quellenverzeichnis
Anselm, Sabine, Hammer-Bernhard, Eva und Christian Hoiß (2021): Zukunftswerkstatt. Oder: Wie stellst du dir das Leben in x Jahren vor? In: BNE-Box. miteinander reden. weiter denken. gemeinsam handeln. URL: https://www.bne-box.lehrerbildung-at-lmu.mzl.lmu.de/zukunftswerkstatt/. München (Stand: 26.07.24).
Borengässer, Carla und Eva Hammer-Bernhard (2024): Standbild(er). Oder: Wer steht wo? Wer steht wie? In: BNE-Box. miteinander reden. weiter denken. gemeinsam handeln. URL: https://www.bne-box.lehrerbildung-at-lmu.mzl.lmu.de/standbild/. München (Stand 26.07.24).
Dame alias Michael Zöttl (2015): „Tagträume“. URL: https://youtu.be/FJ-cggtO3f8?si=PqMgN2kUzTJz8TL6. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und seines Managements (Stand: 26.07.24).
Kuhbandner, Christof und Anne C. Frenzel (2019): Emotionen. In: Urhahne, Detlef, Markus Dresel und Frank Fischer (Hrsg.): Psychologie für den Lehrberuf. Berlin.
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (2024): LehrplanPLUS (Gymnasium) Evangelische Religionslehre 11. München. https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/gymnasium/11/evangelische-religionslehre. München (Stand: 26.07.24).
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2022): JIM-Studie 2022. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-jähriger. Stuttgart.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2022): KIM-Studie 2022. Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-jähriger. Stuttgart.
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (2024): LehrplanPLUS (Gymnasium) Evangelische Religionslehre 12. URL: https://www.lehrplanplus.bayern.de/schulart/gymnasium/jgs/12/fach/evangelische-religionslehre/inhalt/fachlehrplaene. München (Stand: 26.07.24).
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (2024): LehrplanPLUS (Gymnasium) Evangelische Religionslehre 13. URL: https://www.lehrplanplus.bayern.de/schulart/gymnasium/jgs/13/fach/evangelische-religionslehre/inhalt/fachlehrplaene. München (Stand: 26.07.24).