Hintergrundinformationen

Insektenbestäubung ist ein entscheidender Prozess in der Pflanzenvermehrung und landwirtschaftlichen Produktion. Etwa 80 % aller Kulturpflanzen in Europa sind auf Bestäubung durch Tiere angewiesen. Dabei stellen Insekten, wie z.B. (Wild-)Bienen, Schmetterlinge und Käfer, die Hauptakteure dar (Ollerton et al. 2011). Der Mechanismus der Bestäubung funktioniert dabei stets so: Insekten sammeln Nektar und Pollen von Blütenpflanzen. Während sie sich von Blüte zu Blüte bewegen, transportieren sie die Pollen männlicher Staubblätter einer Blüte zu den weiblichen Fruchtblättern (Narbe) einer anderen, was zur Befruchtung, Blütenbildung, und letztlich zur Entwicklung einer Frucht führt (Pickhardt & Fluri 2000).

Dieser Prozess ist nicht nur für die Pflanzenwelt essenziell, sondern auch für die Lebensmittelproduktion und Nährstoffversorgung des Menschen, da viele Obst- und Gemüsesorten sowie Ölsaaten und Nüsse auf diese Art und Weise entstehen (NABU 2018.).

Die Biomasse von Insekten ist in den letzten Jahrzehnten jedoch dramatisch zurückgegangen. Die vielbeachtete „Krefelder Studie“ berichtet von einem Rückgang der Fluginsekten um ca. 75% in 63 Naturschutzgebieten in Deutschland über einen Zeitraum von 27 Jahren (Hallmann et al. 2017).

Die Ursachen des Insektensterbens sind vielfältig und oft miteinander verknüpft. Zu den Hauptursachen gehören laut Hallmann et al. (2017):

  • Intensive konventionelle Landwirtschaft: In der dominierenden konventionellen Landwirtschaft werden hauptsächlich Monokulturen angebaut, was die Vielfalt der Pflanzen und damit auch die Lebensgrundlage vieler Insekten reduziert.
  • Überdüngung: Übermäßiger Einsatz von Düngemitteln, insbesondere Stickstoffdüngern, führt zu einer stärkeren Wachstumsförderung von nährstoffliebenden Pflanzen wie Gräsern. Diese Pflanzen verdrängen weniger konkurrenzstarke Arten, wie viele blühende Wildpflanzen, die für Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge als Nahrungsquelle wichtig sind (Reichholf 2020.).
  • Pestizideinsatz: Der Einsatz von chemischen Insektiziden, insbesondere Neonicotinoiden, hat verheerende Auswirkungen auf Insektenpopulationen. Diese Substanzen schädigen das Nervensystem der Insekten und führen zu Orientierungsverlust, reduzierter Fortpflanzung und Sterblichkeit.
  • Habitatverlust: Durch die Ausbreitung der Landwirtschaft, das Mähen von Grünflächen, den Bau von Infrastruktur und die Verstädterung werden natürliche Lebensräume von Insekten zerstört, unterbrochen oder stark eingeschränkt (<span class=“docData;DOCY;v5;1590;BQiAAgAAEb4DAAAGwgMAAAO1BQAABcMFAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA

Ablauf

Benötigtes Material

    • Frage für das Positionsspiel (s. Powerpoint-Präsentation im Material)
    • Erklärvideo „Wie können wir Falter, Käfer und Co. helfen?“ von neueinhalb (Minute 0 – 4:51)
    • Lückentext zu Werten (s. Material)
    • Doppelseite aus dem Buch:  „Groß genug die Welt zu retten“ von Loll Kirby (in der Präsentation enthalten)
    • Rollenspiel „Biene gegen Bagger“: Rollenkarten (s. Material) und Anleitung für Lehrpersonen

1. Einstieg: Positionsspiel zur Aktivierung des Vorwissens
Die Positionslinie, bei der die Schüler:innen zwischen dem Bau neuer Straßen und dem Schutz der Bienen wählen, aktiviert ihr Vorwissen und fordert sie dazu auf, eine erste Bauchentscheidung zu treffen.

2. Informationsphase
In der Informationsphase wird ein Erklärvideo gezeigt, das auf einfache und visuelle Weise die Frage aufgreift, wie man Insekten wie Bienen, Schmetterlinge und Käfer schützen kann.

3. Verarbeitungsphase: Auseinandersetzung mit dem Insektensterben
Um unterschiedliche Lernzugänge zu bieten, ist diese Phase methodisch in mehrere Abschnitte unterteilt:

  • Zunächst lesen die Schüler:innen in Gruppen eine Bildersachbuchseite über das Insektensterben. Dabei untersuchen sie die Ursachen und Auswirkungen des Bienensterbens und markieren wichtige Punkte mit Textmarker. Das aktive Markieren des Textes fördert das Leseverstehen und hilft den Schüler:innen, wichtige Informationen zu filtern.
  • Der Lückentext zum Thema Werte thematisiert Begriffe wie Schönheit, Leben, Gesundheit und Freiheit. Die Beschäftigung mit dem Text fordert die Schüler:innen auf, über die Werte hinter dem Umweltschutz nachzudenken und sich zu fragen, warum diese Werte überhaupt so wichtig sind. Durch das Ausfüllen des Lückentextes wird auch das Verständnis für abstrakte Konzepte wie Schönheit und Leben gefördert.
  • Biene gegen Bagger“: Das Rollenspiel, in dem die Schüler:innen in Gruppen eine Entscheidung über den Bau einer Straße fällen müssen, vertieft die Auseinandersetzung mit den Konflikten zwischen menschlichen Bedürfnissen und ökologischen Schutzmaßnahmen.

4. Reflexionsphase: Am Ende der Stunde kehren die Schüler:innen zur Positionslinie zurück und stellen sich erneut auf, um zu prüfen, ob sich ihre Meinung nach der intensiven Auseinandersetzung verändert hat. Dies bietet die Gelegenheit, über den eigenen Lernfortschritt nachzudenken, ihre eigenen Wertvorstellungen zu hinterfragen und ein reflektiertes Werturteil zu fällen.

5. Philosophisches Anschlussgespräch:
Ein mögliches philosophisches Anschlussgespräch stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob der Mensch Wälder und Wiesen als Lebensräume zerstören darf, selbst wenn er ohne Bienen überleben könnte. Diese Phase lädt die Schüler:innen dazu ein, ethisch relevante Fragestellungen zu durchdenken und mit verschiedenen Denkmodellen zu experimentieren.

6. Sicherung (fakultativ)
Der abschließende Hefteintrag bietet den Schüler:innen die Möglichkeit, ihr erworbenes Wissen schriftlich in eigenen Worten festzuhalten.

Differenzierungsmöglichkeiten

  • Zur Niveaudifferenzierung findet sich im Material zu dieser Unterrichtsidee ein Lückentext höherer Komplexität, der die Informationen aus dem Erklärvideo vertieft und zur Reflexion anregt.
  • Mit Schüler:innen eines fortgeschritteneren Leistungsniveaus lässt sich eine Wertereflexion auch vertieft angehen: Die Gruppe könnte beispielsweise gemeinsam im Klassengespräch überlegen, welche Werte hinter den Entscheidungen stehen und abwägen, welche Folgen das (eigene) Handeln haben kann.
  • Eine Vorstrukturierung der jeweiligen Rollenkarten unterstützt die Lernenden, sich in ihre Rolle zu finden und hilft zudem als Visualisierung, die eigene Position aufrechtzuerhalten. Es können weniger und stärker detaillierte Beschreibungen und Anforderungen an die Rolle enthalten sein, vorentlastende Argumentations- und Formulierungshilfen angeboten werden oder die Möglichkeit, eigene Statements im Vorhinein zu verschriftlichen.
  • Je nach Leistungsniveau der Gruppe können zusätzliche Recherche- oder Textarbeit das Wissen vertiefen; die Beschäftigung mit innovativen Lösungen oder urbanen Biodiversitätskonzepten, auch in der eigenen Stadt, werden zum Ausgangspunkt für eine Reflexion der Verantwortung gegenüber der vom Menschen umgestalteten Natur.
  • Im Anschluss bietet sich ein selbstwirksamkeitsstärkendes Projekt an: Im fächerverbindenden Unterricht könnte z.B. gemeinsam mit der Fachschaft Kunst, Biologie oder HSU ein Insektenhotel gebaut und auf dem Schulgelände aufgestellt werden. So kommen die Schüler:innen in ein lösungsorientiertes Handeln und wenden Gelerntes praktisch im eigenen Wirkkreis an.

Mehr Informationen zu grundlegenden Differenzierungs­möglichkeiten

BNE-Kompetenzen

In dieser Unterrichtseinheit werden folgende BNE-Kompetenzen von Lernenden besonders gefördert.

Globale Zusammenhänge erkennen und neue Perspektiven ausbauen:

Die Schüler:innen erklären den Zusammenhang zwischen der Insektenbestäubung und der Nahrungsmittelversorgung. Sie begreifen das Insektensterben als globales Phänomen und benennen neben Gründen für den Schutz von Insekten auch damit verbundene Herausforderungen.

Vorausschauend denken und handeln:

Die Schüler:innen erklären die langfristigen Folgen des Insektensterbens und entwickeln Ideen einer gemeinsamen Zukunft für Mensch und Insekt, die sie im Rahmen eines insektenfreundlichen Projekts praktisch umsetzen.

Fächerübergreifend Erkenntnisse gewinnen:

Die Schüler:innen erklären und beurteilen die Bedeutung der Insektenbestäubung als Nahrungsversorgungsquelle für Menschen und Tiere (HSU/Biologie), begründen persönliche Entscheidungs- und Werturteile (Ethik, Sozialkunde) und entwickeln Ideen für eine harmonische Koexistenz zwischen Mensch und Insekten (Kunst, Werken).

Risiken, Gefahren und Unsicherheiten erkennen und abwägen:

Die Schüler:innen erkennen und bewerten Risiken für Menschen, Tiere und Pflanzen, die vom Artensterben ausgehen. Sie verstehen den Konflikt zwischen Naturschutz und wirtschaftlichen/gesellschaftlichen Interessen und wägen die damit verbundenen Risiken ab.

 

An Entscheidungsprozessen teilhaben:

Im Rahmen eines möglichen Anschlussprojekts bringen die Schüler:innen Ideen zur Durchführung einer bienenfreundlichen Aktion ein, diskutieren diese und stimmen darüber ab.

Gemeinsam mit anderen planen und handeln:

Im Rahmen eines möglichen Anschlussprojekts planen die Schüler:innen die Umsetzung einer bienenfreundlichen Aktion und verteilen Aufgaben gerecht und effektiv, um ihre Ziele zu erreichen.

Sich und andere motivieren können, aktiv zu werden:

Im Rahmen einer Zukunftswerkstatt motivieren sich die Schüler:innen gegenseitig, indem sie ihre Visionen für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Menschen und Bienen präsentieren und gemeinsam für den Schutz von Bienen tätig werden.

Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen:

Die Schüler:innen erkennen und diskutieren den Zielkonflikt zwischen dem Bau neuer Straßen und dem Schutz von Insekten.

Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren:

Die Schüler:innen hinterfragen die Werte einer Umweltschützerin bei ihrem Einsatz für Insekten und gleichen diese mit ihren eigenen ab. Im Laufe der Unterrichtssequenz reflektieren die SchülerInnen ihre eigenen Werte im Hinblick auf den Konflikt zwischen dem Insektenschutz und Straßenbau.

Selbstständig planen und handeln:

Bei einem möglichen insektenfreundlichen Anschlussprojekt übernehmen die Schüler:innen Verantwortung für einzelne Projektschritte und setzen diese weitgehend eigenständig um.

Empathie und Solidarität für Benachteiligte zeigen:

Die Schüler:innen erkennen die Gefahr, die für Insekten durch drohenden Lebensraumverlust ausgeht, verstehen die Notwendigkeit, sie zu schützen und entwickeln eine entsprechende Bereitschaft.

Vorstellungen von Gerechtigkeit als Entscheidungs-/ Handlungsgrundlagen nutzen:

Die Schüler:innen reflektieren hinsichtlich des Konkurrenzkampfes zwischen Menschen und Insekten, wie Lebensraum mit Bewusstsein für Biodiversität gestaltet werden kann.

Mehr Informationen zum Zusammenhang von BNE-Kompetenzen von Lernenden und Lehrenden

Quellenverzeichnis

Adelmann, Wolfram (2019). Wie können wir unseren einheimischen Insekten helfen? ANLiegen Natur, 41 (1), 7–16. https://www.anl.bayern.de/publikationen (zuletzt am 17.02.2025).

Hallmann, Caspar A., Sorg, Martin, Jongejans, Eelke, Siepel, Henk, Hofland, Nick, Schwan, Heinz, … & de Kroon, Hans (2017). More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoS ONE, 12 (10), e0185809. (https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809) (zuletzt am 17.02.2025).

Kirby, Loll (2020). Groß genug, die Welt zu retten. Berlin: Suhrkamp.

NABU (2018). Insektenbestäubungsabhängige Agrarrohstoffe: Eine Übersicht. NABU. https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/nabu-infopapier-bestaeuberleistung.pdf, (zuletzt am 17.03.2025).

Ollerton, Jeff, Winfree, Rachael, Tarrant, Sam (2011). How many flowering plants are pollinated by animals? Oikos, 120 (3), 321–326.

Reichholf, Josef H. (2020). Niedergang der Insekten. Biologie unserer Zeit50 (6), 346–353. (https://doi.org/10.1002/biuz.202010717), zuletzt am 17.02.2025.

Pickhardt, Anne, Fluri, Peter (2000). Die Bestäubung der Blütenpflanzen durch Bienen: Biologie, Ökologie, Ökonomie (Mitteilung Nr. 38). Schweizerisches Zentrum für Bienenforschung.