Hintergrundinformationen

Das Konzept des Ökologischen Fußabdrucks wird im Nachhaltigkeitsdiskurs häufig verwendet, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie viele planetare Ressourcen durch den eigenen Lebensstil verbraucht werden. Basierend auf dem Konzept von Wackernagel und Beyers (vgl. 2010), berechnen entsprechende Rechner den individuellen Flächenverbrauch pro Jahr und Person in der Einheit gha (globales Hektar). Ein gha entspricht dabei der weltweit durchschnittlichen Bioproduktivität eines realen Hektars, wobei für diese Fläche sowohl der Ressourcengewinn selbst als auch die Kompensation entstehender Schäden (z.B. CO2-Ausgleichsflächen) beachtet werden (vgl. Wackernagel et al. 2019).

Das Konzept sollte aber auch kritisch betrachtet werden, indem der Frage nachgegangen wird, welche impliziten Annahmen einem solchen komplexen Modell zugrunde liegen und welche dabei (un)bewusst nicht berücksichtigt werden. So lässt sich hinterfragen, ob uns Menschen ein, und falls ja welcher, Anteil der Erdfläche wirklich zur alleinigen Nutzung zur Verfügung stehen soll. Ist das überhaupt in Zahlen fassbar? Ist es möglich, die Verschiedenartigkeit der Ansprüche an Flächen für verschiedene Bedürfnisse (etwa anderer Lebewesen) zu berücksichtigen? Einige dieser (umwelt-)ethischen Fragen gehen schon über die nachfolgende Unterrichtseinheit hinaus, können aber in Anschlusskommunikation in weiteren Fächern aufgegriffen werden oder im Sinne eines spiral curriculum, also des expliziten Herausstellens von Zusammenhängen zwischen einzelnen Inhalten, in höheren Mathematikklassen eingehender betrachtet werden.

Die nachfolgende Unterrichtssequenz bietet die Grundlage, das Modell des Ökologischen Fußabdrucks im Sinne des Konzepts des mathematischen Modellierens nach Blum (2011) genauer kennenzulernen und erste kritische Überlegungen dazu anzustellen, worin der Nutzen sowie die Grenzen des Modells liegen. So hilft es dabei, das Konzept des Ökologischen Fußabdrucks zu hinterfragen und verdeutlicht, dass dieses Modell (wie jedes andere) durch die Einnahme einer bestimmten Perspektive einen vereinfachten Zugang zur Welt ermöglicht.

Zugleich wird aber auch deutlich, welches Potenzial der Mathematik bei der Lösung aktueller Probleme zukommt, wobei diese konkrete Anwendung einer Modellierung dazu beitragen kann, Schüler:innen das Konzept des Modellierens verständlich zu machen. In unserem Beispiel hilft die mathematische Modellierung dabei, sich umfassender mit den Zahlenwerten beschäftigen zu können, die bei der Nutzung eines Fußabdruckrechners ausgegeben werden. Bei dem hier verwendeten Fußabdruckrechner wird u.a. der eigene Fußabdruck in gha sowie die Aufteilung dieses Fußabdrucks in die fünf Bereiche Lebensmittel, Unterkunft, Mobilität, Waren und Dienstleistungen ausgegeben. Daraus ergeben sich einige Fragen, die an unterschiedlichen Stellen der Unterrichtseinheiten aufgegriffen werden: Was sagen uns die so erhaltenen Werte überhaupt? Habe ich einen (zu) großen Ökologischen Fußabdruck? Wie viel davon kann ich persönlich beeinflussen? Lässt sich daraus eine Handlungsverpflichtung ableiten?

Die folgende Unterrichtssequenz hilft dabei, die individuellen Ergebnisse bei der Errechnung des Ökologischen Fußabdrucks besser einordnen zu können und zu einer fundierteren Einschätzung der eigenen Einsparpotenziale zu gelangen.

Ablauf

Benötigtes Material

  • Graphiken für den Einstieg
  • Datenblatt für die Schätzungen
  • Arbeitsblatt mit der Tabelle
  • Digitales Endgerät zum Durchführen des Rechners
  1. Erste Schätzungen zum eigenen Ökologischen Fußabdruck
    1. Um einen diskursiven Einstieg in die Thematik zu schaffen, wird zu Beginn eine Graphik des Ökologischen Fußabdrucks präsentiert. Diese wird von den Lernenden zunächst beschrieben und erörtert. Um Reflexionsprozesse anzuregen und den Brückenschlag zum Unterrichtsinhalt zu erreichen, wird der Ursprungsgraphik anschließend eine weitere, thematisch passende Graphik gegenübergestellt und mithilfe von Impulsfragen durch die Lernenden auf ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten hin analysiert. Folgende Impulsfragen lenken den Fokus langsam hin zum Ökologischen Fußabdruck:
      • Wie wird die Beziehung zwischen dem Fuß und der Welt (dem Wald) dargestellt?
      • Sind die Proportionen in den Graphiken realitätsgetreu?
      • Wer ist der aktive Part in den Graphiken?
      • Was könnte der Fußabdruck hier darstellen?
    2. Die Schüler:innen schätzen nun, wie groß ihr eigener Gesamtfußabdruck und der Fußabdruck in den einzelnen Kategorien (Wohnen, Mobilität, Ernährung, Konsum) jeweils in gha ist. Diese Einheit muss zunächst für die weitere Berechnung und das Verständnis durch die Lehrperson aufgegriffen und definiert werden. Damit die Lernenden hierbei zu einem differenzierten und realistischen Schätzwert gelangen, bereitet die Lehrperson ein Datenblatt mit verschiedenen Anhaltswerten vor. Aufbauend auf diesem Datenblatt wählen die Lernenden in Kleingruppen nach Belieben Werte aus, mithilfe derer sie zu einem individuellen Schätzwert gelangen können. Diesen notieren sie sich für den späteren Vergleich mit den ermittelten Ergebnissen als Bruchzahl und als Kreisdiagramm schriftlich. Der Prozess des Schätzens dient dazu, sich mit den jeweiligen Größenverhältnissen auseinandersetzen zu können und dadurch dass der Schätzprozess als solches bereits eine Modellierung darstellt, den Prozess einer solchen fortlaufend nachvollziehen zu können. Als Hausaufgabe arbeiten die Schüler:innen den Fußabdruckrechner des Global Footprint Network (https://www.footprintcalculator.org/) durch. Ihre Ergebnisse und die vorher ermittelten Schätzwerte tragen sie in die Tabelle ein. Für die spätere Anschlusskommunikation notieren sich die Lernenden ergänzend zu den Ergebnissen mögliche Auffälligkeiten und offene Fragen bzgl. des Rechners.
  2. Veranschaulichung und Größenvergleich der Ergebnisse
    1. Nach einer ersten Reflexionsrunde zu dem Fußabdruckrechner findet ein Vergleich zwischen den Schätzwerten und den konkreten Ergebnissen statt. Dabei diskutieren die Schüler:innen, worin die Unterschiede zwischen den beiden Werten liegen und welche unterschiedlichen Annahmen dem Rechner und den jeweiligen Schätzungen zugrunde liegen könnten.
    2. Für eine Veranschaulichung der einzelnen Sektoren berechnen die Schüler:innen die entsprechenden fünf Werte als Anteile ihres Gesamtwerts sowohl als Bruchzahl als auch als Prozentzahl. Eine Umrechnung in Prozent kann beispielsweise wie folgt stattfinden: Die Lernenden haben in der Kategorie Lebensmittel einen gha von 1,1 herausbekommen, der ins Verhältnis zu ihrem Gesamtwert 7,1 gha gesetzt wird. Daraus ergibt sich durch 1,17,1=1171≈ 0,155 für die Kategorie Lebensmittel ein prozentualer Anteil von ca. 15,5 %. Sie sortieren daraufhin ihre ermittelten Anteile der Größe nach und kontrollieren sich selbstständig durch das Bilden der Summe. Anschließend erstellen sie zu den Werten in derselben Reihenfolge ein Diagramm (Balken- oder Kreisdiagramm).
    3. Als Nächstes stellen einzelne Lernende ihre Diagramme vor und erläutern, wie sie diese erstellt haben, was diese aussagen und wie die unterschiedlich großen Anteile zu erklären sein könnten.
  3. Ermittlung des Einsparpotenzials
    1. Für die letzte Unterrichtseinheit wird die übergeordnete Leitfrage wieder aufgegriffen: In welchem Bereich könntest du deinen Ökologischen Fußabdruck am leichtesten und effektivsten reduzieren? Die Schüler:innen diskutieren diese Frage zunächst mit ihrem Nachbarn/ihrer Nachbarin, dann im Klassengespräch, wobei die folgenden Fragen als Anregungen zur Verfügung gestellt werden können:
      • Kannst du die Frage mit den bisher gewonnen Ergebnissen schon beantworten?
      • Ist der anteilig größte Bereich relevant?
      • Hast du auf die Aspekte in diesem Bereich einen wesentlichen Einfluss? (du kannst z.B. vermutlich nicht so
        leicht ändern, in welchem Haus du wohnst, aber leichter mitentscheiden, was du isst)

      Im Klassengespräch sind nun verschiedene Ergebnisse denkbar, wie z.B.:

      1. Fokussierung auf den jeweils größten Bereich des eigenen Fußabdrucks
      2. Überlegung, dass man jeweils unter Idealwerten bleiben sollte
      3. Wunsch, seine Werte mit einer bestimmten Gruppe (z.B. der Klasse) zu vergleichen, um zu sehen, wo man vergleichsweise kleine/große Werte hat
      4. Wunsch, den Fußabdruckrechner noch einmal durchzugehen, um bei allen Fragen darauf zu achten, was man selbst verändern könnte
    2. Je nach den Ergebnissen aus dem vorherigen Klassengespräch kann die Lehrperson nun unterschiedliche Ansätze verfolgen, die auch kombiniert werden können: Zu 2) müssen entsprechende Idealwerte gefunden werden. Hierzu können z.B. die Werte für verschiedene bioproduktive Flächen innerhalb Deutschlands hinzugezogen werden, wobei sicherlich deutlich wird, dass es zahlenmäßig äußerst kompliziert wird, konkrete Idealwerte für die einzelnen Bereiche zu ermitteln. Außerdem sollte eine ethische Reflexion der Frage, wie viel Nutzung denn als Ideal anzusehen wäre, mit einbezogen werden. Bei 3) ermittelt die Klasse zunächst Durchschnittswerte für die Klasse. Die Berechnung der Durchschnittswerte sollte kurz im Klassengespräch geklärt werden und kann dann in Gruppen je für einen der fünf Bereiche ausgeführt werden. Anschließend können alle Schüler:innen die Durchschnittswerte in die Tabelle eintragen und individuell berechnen, welchen Anteil ihre eigenen Werte jeweils vom Durchschnittswert ausmachen (prozentual und als Bruch). (Bsp.: „im Bereich Lebensmittel beträgt mein Fußabdruck 34 bzw. 75 % des Klassendurchschnitts, im Bereich Mobilität hingegen ist er 112 mal so groß bzw. 150 % davon“).Sowohl für. 1) als auch natürlich bei 4) bietet es sich an, die Schüler:innen aufzufordern, den Fußabdruckrechner nochmals durchzugehen, diesmal unter Angabe der Werte, die man innerhalb eines gewissen Zeitraums (z.B. einen Monat) erreichen zu können meint. Auch diese Werte können in die Tabelle eingetragen werden und anhand dieser neuen Werte ermitteln die Schüler:innen dann die Bereiche, in denen sie absolut und prozentual die größte Veränderung erreichen könnten. (Bsp.: „So wäre mein Wert im Bereich Mobilität um 0,8 gha kleiner und nur noch 917≈ 0,529 mal so groß wie davor, sodass ich in dem Bereich fast die Hälfte eingespart habe“).Anschließend diskutieren die Lernenden mit ihren Nachbarn, ob ihnen eher absolute, prozentuale oder anteilige Werte bei der individuellen Beantwortung der Leitfrage helfen und ob die exakten Werte bzw. gerundete Angaben hilfreicher sind.
    3. Den Abschluss bildet eine Diskussion zur zentralen Fragestellung über das jeweilige Einsparpotenzial. Hierfür diskutieren die Lernenden mithilfe von Leitfragen zunächst mit ihrer/m Nachbar:in und anschließend im Plenum. Dabei helfen u.a. folgende Fragestellungen:
      • In welchen Bereichen kannst du deinen Fußabdruck am effektivsten reduzieren?
      • Wo könnte dir eine Reduzierung besonders leichtfallen? Wo vielleicht sehr schwer (individuelle und systematische Aspekte)?
      • Wie haben dir bei diesen Fragestellungen die mathematischen Berechnungen und Veranschaulichungen geholfen?
      • Wo kommen diese Ergebnisse an ihre Grenzen?
    4. Abschließend gestalten die Schüler:innen in Kleingruppen Plakate, die im Schulhaus aufgehängt werden können, um das Thema auch langfristig sichtbar zu machen. Diese Plakate sollten deutlich machen, was der Ökologische Fußabdruck ist, welche Berechnungen und Veranschaulichungen genutzt wurden, um besser damit arbeiten zu können und schlussendlich auch Ideen für eine Reduktion des Fußabdrucks aufzuzeigen. Ergänzend dazu kann für die direkte Nutzung eines Rechners auf den Plakaten auch ein QR-Code zu einem digitalen Fußabdruckrechner versehen werden oder alternativ analoge Fußstapfen mit jeweiligen Fragen im Schulhaus verteilt werden. Hierfür eignen sich zum Beispiel auslegbare Gummimatten in Form von Fußstapfen. Darüber hinaus kann angeregt werden, den Fußabdruckrechner einen Monat später selbstständig nochmals durchzugehen, um zu überprüfen, ob man seinen Fußabdruck reduzieren konnte.

Hinweise

  • Je nachdem, wie vertraut die Schüler:innen bereits mit mathematischen Modellierungen sind, kann es sinnvoll sein, das Konzept nach Blum (2011) im Vorfeld intensiv zu thematisieren (vgl. Kirchhoff, Mölter und Hoiß 2022).
  • Dieses Thema bietet sich besonders für eine fächerübergreifende Anschlusskommunikation etwa in Deutsch, Ethik, Fremdsprachen, Wirtschaft oder Politik und Gesellschaft an, um das Konzept des Ökologischen Fußabdrucks kritisch zu beleuchten.

BNE-Kompetenzen

In dieser Unterrichtseinheit werden folgende BNE-Kompetenzen von Lernenden besonders gefördert.

Fächerübergreifend Erkenntnisse gewinnen: Die Schüler:innen lernen in einem BNE-relevanten Kontext den Umgang mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik (ISB 2021), indem sie wiederholt Anteile und Prozentwerte der ermittelten Fußabdruckwerte und ihre Veränderungspotenziale berechnen.

Globale Zusammenhänge erkennen und neue Perspektiven ausbauen: Die Schüler:innen lernen den Fußabdruckrechner als ein mathematisches Modell zur Beschreibung des eigenen Einsparpotenzials von Ressourcen sowie der kollektiven Nutzung der Erde durch den Menschen kennen.

Gemeinsam mit anderen planen und handeln: Die Schüler:innen reflektieren, wann welche Darstellungsform zielführend ist, und lernen diese flexibel zu wechseln, um sie als individuelle Problemlöse- oder Argumentationsstrategie zu verwenden.

Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen: Die Schüler:innen sind in der Lage, die globale Tragweite heutigen Handelns zu erkennen und entsprechende Handlungsentscheidungen individuell und in der Gruppe zu treffen.

Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren: Die mathematikdidaktische Auseinandersetzung mit dem Ökologischen Fußabdruck ermöglicht eine gemeinsame kritische Reflexion über die Grenzen und Möglichkeiten eines allgemein anerkannten Instruments, um die menschliche Nutzung von Natur zu messen.

Selbstständig planen und handeln: Die Schüler:innen festigen ihre Fähigkeiten, unterschiedliche Darstellungen zu verwenden (vgl. ISB 2021), indem sie die ermittelten Brüche in Prozentwerte umwandeln und in Balken- und gegebenenfalls auch in Kreisdiagrammen darstellen.

Mehr Informationen zum Zusammenhang von BNE-Kompetenzen von Lernenden und Lehrenden

Quellenverzeichnis

Blum, Werner (2011): Can Modelling Be Taught and Learnt? Some Answers from Empirical Research. In: Gabriele Kaiser, Werner Blum, Rita Borromeo Ferri & Gloria Stillman (Hrsg.): Trends in Teaching and Learning of Mathematical Modelling. Dordrecht, Heidelberg, London, New York: Springer, S. 15–30.

ISB – Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (2021b): LehrplanPLUS – Gymnasium – 6 –Mathematik – Fachprofile. Abrufbar unter: https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachprofil/gymnasium/mathematik/6, (Stand:16.11.2023)

Kirchhoff, Franziska; Mölter, Caroline & Hoiß, Christian (2022): Der ökologische Fußabdruck als Annäherung an eine kulturelle Praxis. In: Carmen Sippl & Erwin Rauscher (Hrsg.): Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren (Pädagogik für Niederösterreich, Band 11). Innsbruck, Wien: StudienVerlag, S. 361–374.

Wackernagel, Mathis & Beyers, Bert (2010). Der Ecological Footprint. Die Welt neu vermessen. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt.