Einsatzmöglichkeiten

Zukunftswerkstätten gehören zu den zukunftsorientierten Lernmethoden und basieren auf einem didaktischen Konzept nach Robert Jungk und Norbert R. Müller (1981). Darin wird davon ausgegangen, „dass die Menschen über häufig ungenutzte kreative Fähigkeiten sowie Problemlösungspotenziale verfügen, die aktiviert werden können. Mit Hilfe der Methode [Zukunftswerkstatt] werden diese Ressourcen mit dem Ziel mobilisiert, Perspektiven für die individuelle und/oder gemeinsame Zukunft zu entwickeln und konkrete Schritte zur Erreichung dieser Ziele zu planen“ (Böttger 2001, o.S.). Zukunftswerkstätten durchlaufen dabei typischerweise drei Phasen: zuerst eine Kritikphase, in der ein Ist-Zustand analysiert wird, dann eine Utopie-Phase, die den Soll-Zustand formuliert, sowie zuletzt eine Realisierungsphase, in der es um die Fixierung konkreter Handlungsmöglichkeiten zur Erreichung des Soll-Zustands geht (vgl. de Haan/Bergier 2013, S.49; DPJW 2019, o.S.). Der Fokus liegt bei Zukunftswerkstätten ganz deutlich darauf, dass „positive Zukunftsvisionen entwickelt und Wege gefunden [werden]“ (DPJW 2019, o.S.), um nachhaltige Veränderungen anzustoßen und umzusetzen.

Damit sind Zukunftswerkstätten vielseitig und fächerübergreifend einsetzbar, zumal explizit Fragestellungen nachgegangen wird, die alle Teilnehmenden betreffen. Beispiele hierfür wären „Was ist gutes Leben?“, „Was ist gute Bildung?“, „Wie sehen Städte der Zukunft aus?“, „Wie muss sich Ernährung verändern, um nachhaltigen Kriterien zu genügen?“ oder „Wie kann ein alternatives Wirtschaftssystem aussehen und was muss es leisten?“. Dass dabei Interessenskonflikte entstehen können, liegt auf der Hand; Zukunftswerkstätten stellen hierfür einen geeigneten Rahmen dar, um unter den Teilnehmenden einen Dialog zu einem ggf. kontrovers diskutierbaren Thema entstehen zu lassen. Zunächst liegt es daher nahe, solche Aspekte im Ethik- oder Religionsunterricht zu thematisieren. Im Sinne eines BNE- und werteorientierten Unterrichts lohnt es sich jedoch, solche Fragestellungen fachintegrativ zu denken und nach Anschlussmöglichkeiten in allen Fächern zu suchen.

Ablauf

Benötigtes Material

  • Leitfrage
  • Ggf. (audio-)visuelle Impulse, Hintergrundinformationen in Präsentations-/Textform (je nach inhaltlicher und methodischer Ausrichtung der Unterrichtseinheit)
  • Ggf. Material für die kreative Gestaltung in der Utopiephase

Vorbereitung

Im Sinne eines diskursiven Verfahrens sollte die Leitfrage für die Zukunftswerkstatt gemeinsam erarbeitet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass sie ein spezielles fachliches Problem aufgreift, das zugleich motivierenden Charakter hat. Zudem sollte die Fragestellung authentisch und ergebnisoffen sein. Auf keinen Fall sollten von der Lehrperson angedachte mögliche Ergebnisse Einfluss auf Fragestellung und Arbeitsprozess nehmen.
Gemeinschaftlich sollten im Vorfeld je nach inhaltlicher und methodischer Ausrichtung der Unterrichtseinheit notwendige (audio-)visuelle Impulse und Hintergrundinformationen gesammelt werden, damit sie im Arbeitsprozess jederzeit als Ressourcen verwendet werden können.

  1.  Die erste Unterrichtsphase ist die Kritikphase. Als Einstiegsimpuls können dafür Zitate realer oder fiktiver Personen, Karikaturen, Fotos zukunftsträchtiger Projekte, Ausschnitte aus Zeitungsartikeln etc. dienen. Dafür kann bewusst ein ironisch-provokanter Impuls gewählt werden, um die Kontroversität eines Themas sichtbar zu machen und die Schüler:innen zu einer kritischen Reflexion anzuregen.
  2. In der zweiten Phase der Zukunftswerkstatt, der Utopie- oder Phantasiephase, werden die Schüler:innen aktiv dazu aufgefordert, ihre eigenen Ideen und Utopien zu der/den Leitfrage(n) zu entwickeln. Dies kann in Partner- oder Kleingruppenarbeit erfolgen; es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass ein diskursiver Austausch mit einer oder mehreren Personen möglich ist. Die Erarbeitung dieser Punkte kann fachinhaltlich bspw. durch die Lektüre eines Textes, das Anhören eines Radiobeitrags, das Ansehen und -hören eines Videobeitrags o.Ä. unterstützt werden. Bei der Umsetzung sollte darauf hingewiesen werden, dass die Zukunftswerkstatt bewusst nicht nur rein kognitive Auseinandersetzungen mit dem Thema anstoßen will, sondern kreative Ausarbeitungen jeglicher Art erwünscht sind (z.B. künstlerisch-literarisch, unter Verwendung digitaler Tools etc.). Um eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Fragestellung zu gewährleisten und kreative Prozesse umfangreich anstoßen zu können, sollte auf diesen Teil der Zukunftswerkstatt ausreichend viel Zeit verwendet werden. Gegebenenfalls kann sich diese Phase sogar über einen längeren Zeitraum hinweg ausdehnen. Die Ergebnisse werden am Ende der Phase gegenseitig vorgestellt.
  3. Während der abschließenden Realisierungsphase sammeln die Schüler:innen – angeregt durch die Utopiephase – Ideen zur Umsetzung konkreter Nachhaltigkeitsmaßnahmen im bearbeiteten Feld. Die Zukunftswerkstatt ist damit eine „partizipative Strategie“ (de Haan/ Bergier 2013, S.49), aus der „kreative Entwürfe für Handlungskonzepte“ (ebd.) hervorgehen. Je nach Themenschwerpunkt sollte, damit diese Ideen nicht wirkungslos verpuffen, am Ende der Zukunftswerkstatt noch ein konkreter Planungszirkel stehen, in dem festgehalten wird, welche Schritte in welcher Reihenfolge für die tatsächliche Umsetzung erforderlich sind (vgl. de Haan/ Bergier 2013, S.50). Zudem bietet es sich an, die erarbeiteten Ziele auch mit Stakeholdern außerhalb des Klassenzimmers zu besprechen (etwa mit anderen Lerngruppen, der Schulleitung, lokalen Akteur:innen etc.), um die entwickelten Ideen in ein Netzwerk einzuspeisen, das vor Ort bereits an ähnlichen Fragestellungen arbeitet.

BNE-Kompetenzen

Quellenverzeichnis

Böttger, Ilona (2001): Zukunftswerkstatt. Abrufbar unter: https://www.sowi-online.de/praxis/methode/zukunftswerkstatt.html_1#kap5 (Stand: 08.02.2021).

DPJW – Deutsch-polnisches Jugendwerk (2020): Zukunftswerkstatt. Abrufbar unter: https://sherpa-bne.org/methoden/methoden-der-bne/zukunftswerkstatt/ (Stand: 08.02.2021).

de Haan, Gerhard; Bergier, Tomasz (2013): Jugend begegnet Zukunft. Bildung für nachhaltige Entwicklung im deutsch-polnischen Jugendaustausch. Potsdam/Warschau: DPJW/PNWM. Abrufbar unter: https://dpjw.org/wp-content/uploads/2019/10/Ekspertyza_DE_interactive.pdf (Stand: 14.10.2023).

Jungk, Robert/Norbert R. Müller (1981): Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation. München.

Rupp, Gerhard (2014): Deutschunterricht im Jahr 2050. Zukunftsorientierte Lernprozesse in Zukunftswerkstätten. In: ders.: Deutschunterricht lehren weltweit. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 768-771.