Hintergrundinformationen

Im Kontext dieser Unterrichtseinheit wird vom Verhältnis der Menschen zu den Tieren die Rede sein, um zu betonen, dass es Tiere nur in der Mehrzahl gibt. Zwar wurde kulturgeschichtlich betrachtet die Kategorie „Tier“ zumeist in einer Opposition zum Menschen gesehen. Sie pauschalisiert dabei aber die verschiedensten Arten von der Ameise bis zum Blauwal unter einem Begriff und bildet die dahinter liegende Diversität sprachlich nicht ab. Zudem sind die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren äußerst vielfältig. Evolutionär betrachtet sind Menschen und Tiere miteinander verwandt. Eine besonders enge stammesgeschichtliche Verwandtschaft ist zu den Menschenaffen erkennbar, die sich auch genetisch belegen lässt.
Der Grad der Verwandtschaft lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf den rechtlichen oder moralischen Status eines Tieres zu. Denn unsere engsten Verwandten „werden […] noch immer gejagt, eingefangen, getötet oder für Tierversuche eingesetzt; ihre Lebensräume sind in Teilen bedroht oder gar bereits zerstört“ (Kellerwessel, Krämer & Förster 2016, S. 7). Andere Tiere hat der Mensch abgerichtet bzw. euphemistisch gesprochen „domestiziert“. Er nutzt sie für landwirtschaftliche Zwecke, als Lieferanten für Nahrung oder zu seinem Vergnügen als Haustier.
In aller Regel ist von „Ausbeutungsbeziehungen“ (ebd.) zu sprechen, die zu Zeiten der industriellen Massentierhaltung mit sehr schlechten Lebensbedingungen sowie dem frühzeitigen Tod von Milliarden von Tieren einhergehen. Der Großteil dieser Tiere – zum Beispiel der ca. 22 Milliarden (!) zumeist in Ställen lebenden Hühner (vgl. Statista 2018, o.S.; Stand 2016) – wäre ohne menschliche Planung nicht geboren. Zudem befinden sich die Tiere auch in zoologischen Gärten, im Zirkus, bei Tierkämpfen und Tierausstellungen oder in Labors für Tierversuche. Daneben jagt der Mensch die Tiere seit jeher zu Wasser und zu Land, am und im Boden sowie in der Luft, unter anderem für die Produktion von Kleidung und anderen Gebrauchsutensilien wie Leder, Pelz und Schmuck oder er bekämpft sie als sogenannte Schädlinge. Dies geht global betrachtet mit einem „weitreichenden Habitatverlust von Wildtieren aufgrund menschlicher Inanspruchnahme von Land und [menschlicher] Nutzung der Gewässer“ (Hoiß 2019, S. 9) einher, vor allem auch durch die global weiterhin ungebremste Rodung der Regenwälder, den großflächigen Einsatz von Pestiziden, die unkontrollierte Versiegelung von Landflächen, Vergiftung und Verschmutzung von Böden, Wasser und Luft.
Die Tiere verlieren nicht nur ihr Habitat und ihr Leben; der Mensch ist Hauptverursacher dafür, dass jedes Jahr Tausende von Arten aussterben. Doch diese Übermacht war nicht immer so. Immer wieder gab und gibt es zum Beispiel Gesellschaften, die Tiere als göttliche Wesen verehrten (z.B. Katzen im Alten Ägypten) und noch immer verehren (z.B. Kühe in Indien oder Affen in vielen Ländern Asiens). Ähnlich verhält es sich in zahllosen medialen Repräsentationen von Tierarten, in denen den verhandelten Arten Faszination, Respekt, Neugier und Ehrfurcht entgegengebracht werden und in denen ihre Existenz als wertvoll gewürdigt wird. Dies wird bspw. in Sachbüchern über Tiere oder in Dokumentarfilmen deutlich (vgl. z.B. Derrida 2010).

Ablauf

Benötigtes Material

  1. Die Lehrperson legt Bilder von Tieren und Menschen in der Mitte des Raumes aus.
  2. Die Schüler:innen werden durch eine matching activity aufgefordert, sich um die Bilder herum zu bewegen und sie sich im Stillen genau anzusehen. Dies dient einer Präzisierung der Wahrnehmung und der Aktivierung von Vorwissen und Assoziationen, die die Schüler:innen zu den einzelnen Fotografien haben.
  3. Die Lehrperson wählt einige Schüler:innen aus, die die folgende Aktivität von außen beobachten.
  4. Die Lehrperson fordert den größeren Teil der Gruppe dazu auf, die Bilder durch gemeinsame Diskussion und Sinnerzeugung in eine beliebige Ordnung zu bringen (etwa chronologisch, nach Wert der Tiere, in Gegensatzpaaren etc.).
    Wichtig: Die Schüler:innen sollen ihre Gedanken bei Vorschlägen für eine Anordnung der Bilder sowie beim Austausch der Argumente laut äußern, damit in der Anschlussdiskussion auf einzelne Beiträge eingegangen werden kann.
  5. Um ein Bewusstsein für das individuelle Sprechen der Schüler:innen über das Verhältnis der Menschen zu den Tieren zu erhalten, bekommen diejenigen Schüler:innen, die die Aktivität von außen beobachten, die Aufgabe, Aussagen der Klasse auf dem Beobachtungsbogen mitzuprotokollieren, in welchen über die Beziehung der Menschen zu den Tieren gesprochen wird. Da diese Aufgabe sehr voraussetzungsreich ist, sollte auch die Lehrperson konkrete Aussagen der Schüler:innen mitschreiben.
  6. Nach der matching activity werden die Schüler:innen dazu aufgefordert, die finale Anordnung zu präsentieren und zu begründen. Zusätzlich sollen besondere Herausforderungen und Diskussionspunkte aus der Anordnungsphase thematisiert werden.
  7. Die Gesprächsmitschriften der beobachtenden Schüler:innen werden eingebunden, um das konkrete Sprechen über die Menschen und die Tiere sowie der Beziehungen in den Fokus zu rücken.
  8. In der Anschlussdiskussion kann eine vertiefende Reflexion über die sprachliche Manifestation des Verhältnisses der Menschen zu den Tieren auf unterschiedlichen sprachlichen Ebenen erfolgen (vgl. Hoiß 2019, S. 320-334). Die Lehrperson kann die Schüler:innen hier konstruktiv nach alternativen Formulierungen suchen lassen, wobei speziell auch zu sprachlichen Eigenkreationen wie Wortneuschöpfungen ermutigt werden kann.

Hinweise

Aufgrund der tiefgreifenden Widersprüchlichkeit im Verhältnis der Menschen zu den Tieren wird erwartet, dass im Verlauf der Diskussion die Frage nach dem Wert einzelner Spezies für die Menschen aufgeworfen wird. Hier bieten sich für die Lehrenden Gelegenheiten, Inhalte aus der Sachanalyse zur Vertiefung anzubringen und darauf zu verweisen, dass sich solche in hohem Maße anthropozentrischen Formen der Wertung auch sprachlich manifestieren.

Deutschunterricht im Anthropozän – Didaktische Konzepte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung

BNE-Kompetenzen

In dieser Unterrichtseinheit werden folgende BNE-Kompetenzen von Lernenden besonders gefördert.

Globale Zusammenhänge erkennen und neue Perspektiven ausbauen: Die Schüler:innen vollziehen die Beziehungen der Menschen zu den Tieren in verschiedenen Kontexten nach und entdecken, dass diese zumeist von Nutzenkalkül bestimmt sind.

Fächerübergreifend Erkenntnisse gewinnen: Die Schüler:innen erkennen die Bedeutung von Sprache bei der Konstruktion von Wert und reflektieren Wertvorstellungen, die durch Sprache transportiert werden.

Gemeinsam mit anderen planen und handeln: Die Schüler:innen tauschen sich über das (historische) Verhältnis der Menschen zu den Tieren sowie die eigene und fremde Wahrnehmung dieses Verhältnisses aus.

Zielkonflikte bei der Reflexion über Handlungsstrategien berücksichtigen: Die Schüler:innen lernen den Stellenwert von Tieren in verschiedenen Kontexten kennen und vollziehen damit verbundene Interessensunterschiede nach.

Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren: Die Schüler:innen reflektieren Wertvorstellungen, die sprachlichen Äußerungen zugrunde liegen; sie diskutieren anhand der Bilder eigene Wertvorstellungen z.B. bzgl. der Rechte von Tieren oder im Umgang mit ihnen.

Selbstständig planen und handeln: Die Schüler:innen lernen, sprachliche Alternativen zu finden, und eignen sich einen kreativen Umgang mit Sprache an.

Mehr Informationen zum Zusammenhang von BNE-Kompetenzen von Lernenden und Lehrenden

Quellenverzeichnis

Derrida, Jacques (2010): Das Tier, das ich also bin. Wien: Passagen-Verlag.

Hoiß, Christian (2019): Deutschunterricht im Anthropozän – Didaktische Konzepte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. München: Elektronische Hochschulschriften. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/24608/1/Hoiss_Christian.pdf (Stand: 18.09.2023).

Kellerwessel, Wulf; Krämer, Carmen; Förster, Annette (2016): Einleitung: Zu den vielfältigen Mensch-Tier-Beziehungen und ihrer Reflexion in der Tierethik und den Human-Animal Studies. In: Dies. (Hrsg.): Mensch – Tier – Ethik im interdisziplinären Diskurs. Berlin, Münster: lit-Verlag. S. 7–22.

Statista – The Statistics Portal (2018): Number of chickens worldwide from 1990 to 2016 (in million animals). https://www.statista.com/statistics/263962/number-of-chickensworldwide-since-1990/ (Stand: 18.09.2023).

ZEIT Geschichte (2016): Ein Platz für Tiere. In: ZEIT Geschichte (1), S. 6–13.