Einsatzmöglichkeiten

Bewegung findet im schulischen Kontext primär im Sportunterricht oder während der Pausen statt. Eine Verbindung von Lernen und Bewegung auch im Fachunterricht stellt das sog. peripatetische Lernen dar: „Peripatetisches Philosophieren bedeutet, das Philosophieren im Gehen zu praktizieren, vorzugsweise draußen, und dabei Eindrücke der Umgebung, aber auch der eigenen Körperwahrnehmung während des Gangs in die philosophische Reflexion einfließen zu lassen.“ (Seele 2021, 50) Die Idee stammt aus der Philosophie der Antike; laut Überlieferungen wurden philosophische Fragen beim gemeinsamen Gang auf einem Rundweg (griech. peripatos) erörtert (vgl. Seele 2021, 49). Aus dem Konzept von Katrin Seele resultieren grundlegende didaktische Forderungen und konkrete Vorschläge für die unterrichtliche Umsetzung. So können philosophische Fragestellungen oder auch Textausschnitte Anregung für die Lernenden sein, die Bereiche Kreativität, Lernen und Bewegung als zusammengehörig zu erfahren; peripatetisches Lernen kann dazu dienen, sich mit eigenen Lern- und Denkprozessen zu beschäftigen.

Unterschiede gibt es in der Art des Gehens bzw. Wanderns. Besonders spannend ist, dass aktuelle neurowissenschaftliche Studien deutlich die Vorteile der ungerichteten, selbstbestimmten Bewegung für das divergente Denken herausstellen konnten (vgl. Murali/Händel 2021); deshalb kann es je nach Aufgabenstellung durchaus sinnvoll sein, mit Lernenden zwar den gesamten Bewegungsraum zu definieren, nicht aber bestimmte Orte vorzugeben, zu denen man sich hinbewegt, sondern größtmögliche Freiheit anzubieten.

Insgesamt unterstützt das peripatetische Lernen die Bildung für Nachhaltige Entwicklung, indem es Lernende befähigt, kritisch über ihre Umwelt nachzudenken und ein tieferes Verständnis für Nachhaltigkeitsfragen zu entwickeln.

Ablauf

Benötigtes Material

  • Raumbeschreibung: Im einfachsten Fall findet der Lern-Spaziergang auf dem Schulgelände statt; hierbei ist darauf zu achten, dass eine Ungestörtheit der Lernenden ermöglicht werden kann. Der Bewegungsraum muss in jedem Fall klar festgelegt sein. Daneben können thematische Routenbeschreibungen zu Orten von thematischer, ökologischer, kultureller oder sozialer Bedeutung sinnvoll sein, bspw. städtische Parks, in welchen bestimmte Ziele angesteuert werden (bspw. ein Denkmal, Ort von kulturgeschichtlicher Bedeutung etc.); auch ein nahe gelegenes Waldstück kann sich eignen, je nachdem, welche Lernziele erreicht werden sollen. 
  • Reflexionsfragen und -aufgaben für den Denkspaziergang: die auf grundlegende Fragen zur Nachhaltigkeit (s.o.) oder die Erkundung spezifischer Nachhaltigkeitsthemen abzielen; die Fragen müssen auf das jeweilige Fach und das Lernziel abgestimmt sein und sinnvoll mittransportiert werden können.
  • u.U. Materialien zur Dokumentation wie Notizbücher, (Handy-)Kameras oder Tablets.

Vorbereitung

  • Auswahl des Themas: Auswahl eines (Nachhaltigkeits-)Themas, das reflektiert werden soll; wichtig: Es handelt sich bei dem Lernspaziergang NICHT um eine Exkursion, die konkrete BNE-Themen erforschen soll; Ziele sind das Nachdenken und der Austausch während des Gehens.
  • eindeutige Festlegung des Bewegungsraumes: Definition des Raumes bzw. der Route und evtl. der spezifischen Orte, die besucht werden (evtl. Erstellung einer kleinen Karte)
  • Recherchearbeit: Sammeln von Informationen und Materialien, die den Schüler:innen ein Grundverständnis des Themas vermitteln.
  • Formulierung von Reflexionsfragen: Entwickeln von Fragen, die die Schüler:innen auf ihrem Spaziergang beachten sollen und zum kritischen Denken anregen.
  • Einführung: Vorstellung des konkreten Themas oder der Reflexionsfrage, Erläuterung der Rahmenbedingungen
  • Einteilung der Gruppen: Das Gehen kann je nach Themenstellung alleine oder in Kleingruppen erfolgen, hierbei sollte eine Gruppengröße von vier Schüler:innen nicht überschritten werden.

Durchführung

  • Spaziergang: Die Schüler:innen erkunden in kleinen Gruppen den festgelegten Raum und beschäftigen sich mit den vorbereiteten Reflexionsfragen und -aufgaben. Möglich ist auch, das übergeordnete Thema zu formulieren und den Schüler:innen die Freiheit zu lassen, sich selbst für sie persönlich wichtige/ aufgekommene Fragen zu notieren und später in die gemeinsame Diskussion/Reflexion einfließen zu lassen.
  • Beobachtung und Diskussion: An vorgegebenen oder frei gewählten Orten halten die Gruppen inne, um ihre Beobachtungen zu diskutieren und die Reflexionsfragen zu beantworten/oder selbst zu erarbeiten.
  • Dokumentation: Die Schüler:innen dokumentieren ihre Gedanken, Fragen, Antworten und Beobachtungen im Anschluss an das Gespräch.

Ergebnispräsentation

  • Nach dem Spaziergang präsentiert jede Gruppe ihre Erkenntnisse und Reflexionen zum Thema, zu den Fragen und den diskutierten Themen im Plenum; je nach Thema kann sich eine Diskussion anschließen. Die Ergebnisse und Gedanken können festgehalten werden und so als Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Thema dienen.

Metakognitive Reflexion

  • Die Schüler:innen reflektieren den Lernprozess, die durchgeführten Aktivitäten und die Bedeutung der Erfahrungen für ihr Verständnis von Nachhaltigkeit.

Quellenverzeichnis

Seele, Katrin (2021): Peripatetisches Lernen. In: Tiedemann, Markus (Hg.): Außerschulische Lernorte, Erlebnispädagogik und philosophische Bildung. Berlin: J. B. Metzler. 47–73.

Murali, Supriya / Händel, Barbara (2021): Motor restrictions impair divergent thinking during walking and during sitting. Abrufbar unter Psychological Research https://doi.org/10.1007/s00426-021-01636.