Hintergrundinformationen

Die Arbeit mit biblischen Texten im RU wird von Schüler:innen häufig als zu wenig lebenswelt- und gegenwartsbezogen empfunden. Deshalb ist zu überlegen, wie man die Schüler:innen trotzdem dazu motivieren kann – z.B. mit fächerübergreifendem und zukunftsbedeutsamem Unterricht. Die Beschäftigung mit BNE im Religionsunterricht kann diese Verknüpfung leisten, wenn eine Auseinandersetzung mit dem christlichen Schöpfungsglauben über die biblischen Schöpfungserzählungen hinaus auch aktuelle globale Umwelt- und Gerechtigkeitsfragen in den Blick nimmt.

Die Einführung in dieses Thema erfolgt anhand eines Bildes von Demonstrationen der Fridays for Future-Bewegung (FFF) als Bestandteil der Jugendkultur. FFF ist eine globale Klimastreikbewegung, die im Sommer 2018 mit dem Schulstreik der Schülerin Greta Thunberg begann, die freitags den Schulunterricht boykottierte, um dagegen zu protestieren, dass die Gesellschaft die Gefahr der Klimakrise nicht ernstnehme. Durch die Proteste ist es ihr gelungen, weltweit den Druck auf politische Entscheidungsträger:innen zu erhöhen; das Kernziel ist die Einhaltung des 1,5°C-Ziels, also eine maximale Erwärmung des Klimas seit Beginn der Industriellen Revolution um 1,5°C. Zugleich setzt sich FFF für Klimagerechtigkeit ein, denn die Folgen des Klimawandels treffen bereits jetzt die Länder des Globalen Südens überproportional stark.

Die internationale Staatengemeinschaft greift diese Problematik schon seit Jahrzehnten auf und spricht in diesem Kontext seit Ende der 1980er-Jahre von der Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltigkeit ist dabei nicht mehr nur auf einer ökologischen Schiene anzusiedeln, sondern Umweltschutz (gedacht als Erhalt der Lebensgrundlagen) und Armutsbekämpfung (gedacht als Entwicklung von Wohlstand und Lebensqualität sowie Aufhebung von systematischer Ausbeutung und Ungerechtigkeit gegenüber dem Globalen Süden) sind auf globaler Ebene immer zusammenzudenken und in politische Kontexte zu übertragen.

Die Positionierung der katholischen Kirche in diesem Kontext ist spätestens seit der Enzyklika Laudato Sí von Papst Franziskus deutlich geworden. Diese setzt die Linie des Engagements bei früheren Nachhaltigkeits- und Klimakonferenzen fort und ist einer der wichtigsten Texte der Umweltdebatte der vergangenen 25 Jahre. Die scharfe Kritik am vorherrschenden Wirtschaftsparadigma und den zerstörerischen Auswirkungen ist dabei besonders hervorzuheben. Im Zentrum der Enzyklika steht nicht die ethische Frage, ob die Menschheit sich wandeln soll oder warum das nötig ist. Ganz im Gegenteil: Sie ist ein flammender Appell dafür, den sofortigen Wandel einzuleiten (vgl. Vogt 2018). Ausgangspunkt ist die Sorge um „das eigene Haus“, wie der Untertitel nahelegt, und steht damit im unmittelbaren Zusammenhang mit dem christlichen Schöpfungsglauben.

Ablauf

Benötigtes Material

Digital verfügbar:

  • AB zum Gedicht „Nachhaltigkeit“ von Ingrid Herta Drewing

Noch zu ergänzen:

  • Beamer und Whiteboard/Tafel, Dokumentenkamera (wenn vorhanden)
  • ggf. digitale Tools wie „Mindmeister“ oder „Miro“ als Tafelersatz
  • Bibelstellen zum Schöpfungsauftrag (Gen 1,26-27 und 2,15) und Arbeitsblatt „Bedrohte Schöpfung“
  • Textstellen aus der Enzyklika „Laudato Sí“.
  1. Zu Beginn zeigt die Lehrperson ein Bild von Demonstrationen der FFF-Bewegung und kommt mit der Klasse ins Gespräch über die Beweggründe und Ziele. Dazu wird eine gemeinsame Mind-Map erstellt. Aufgenommen werden auch die globalen Bedrohungen. Für die Erstellung der Mind-Map können alternativ zur (analogen) Tafel digitale Tools wie „Mindmeister“ oder „Miro“ verwendet werden. Diese bieten den Vorteil, dass viele Personen gleichzeitig an der Mind-Map arbeiten können und die einzelnen Elemente jederzeit verschoben oder farbig markiert werden können.
  2. Im Gespräch erfragt die Lehrperson, welche Werte dieser Bewegung zugrunde liegen und das Handeln motivieren. Neben Werten wie Gerechtigkeit oder Solidarität ist der Wert der Nachhaltigkeit ein zentraler Wert im Kontext der Forderungen von FFF. Die Arbeit an diesem Begriff wird im weiteren Verlauf mit den Schüler:innen vertieft und die Mind-Map entsprechend kontinuierlich erweitert. Dabei kann auch die sogenannte „Brundtland-Definition“ hinzugezogen werden (im ZIP-Ordner „Materialien“) (vgl. WCED – World Commission on Environment and Development, 1987).
  3. Mit einem weiteren Bildimpuls, der Greta Thunberg und Papst Franziskus im Gespräch zeigt (im ZIP-Ordner „Materialien“), wird nun die Verbindung zum christlichen Schöpfungsglauben hergestellt. Die Lehrperson lässt die Klasse Vermutungen anstellen, was mögliche Gesprächsthemen waren, worin sich die beiden ggf. einig sein könnten und wo nicht.
  4. In einer vertieften Arbeitsphase lesen die Schüler:innen ausgewählte Textstellen der Enzyklika „Laudato Sí“ und setzen sich mit der Argumentation und der zugrundeliegenden Haltung auseinander. Hierzu kann die Lehrperson die Textstellen nach thematischer Schwerpunktsetzung auswählen. Die übersichtliche Anordnung in Kapiteln macht die Orientierung sehr einfach.
  5. Im nächsten Schritt markieren die Schüler:innen in der Mind-Map diejenigen FFF-Elemente farbig, die sich mit den Forderungen und der Kritik der Enzyklika decken. Neue oder sich widersprechende Aspekte werden ergänzt. An dieser Stelle sollte auch auf die unterschiedliche Argumentation von Enzyklika und FFF-Bewegung eingegangen werden.
  6. Anschließend ist ein Bezug zur biblischen Schöpfungsgeschichte herzustellen: Die Schüler:innen lesen die Bibelstellen Genesis 1,26-27 und 2,15 in Gruppenarbeit und bringen sie mit den bisherigen Erkenntnissen der Unterrichtseinheit in Zusammenhang. Ziel ist es, zu problematisieren, inwiefern der Schöpfungsauftrag missverstanden wurde, wenn er als Grundlage dafür genutzt wird, die Ressourcen der Erde eigennützig auszubeuten. Hier kann ausgehend vom hebräischen Verb „RDH“, das u.a. das Verhältnis eines Hirten zu seinen Schafen beschreibt, auch über Fragen einer angemessenen Bibelübersetzung der sog. „Herrschaftsformel“ nachgedacht werden.
  7. Im Sinne eines vertiefenden Transfers erhalten die Schüler:innen zum Abschluss der Unterrichtseinheit den Arbeitsauftrag, den Lückentext zum Gedicht „Nachhaltigkeit“ von Ingrid Herta Drewing auszufüllen. Er enthält verschiedene Wörter, um das Gedicht zu ergänzen, und lädt dazu ein, das Gedicht mit zwei selbst geschriebenen Versen zu beenden. Danach lesen die Schüler:innen das Gedicht gemeinsam und erarbeiten inhaltliche, formale und sprachliche Aspekte im Unterrichtsgespräch (siehe AB mit Kurzinformationsmaterial für Lehrer:innen). Im weiteren Verlauf werden die Inhalte des Gedichts mit der erstellten Mind-Map verglichen mit dem Ziel, zu erkennen, dass Drewings Gedicht nur die ökologische Seite des Nachhaltigkeitsbegriffs abdeckt.
  8. Um eine Reflexion der Schüler:innen über die eigene Position anzuregen, wird in der letzten Phase der Unterrichtseinheit diskutiert, inwiefern die Schüler:innen selbst zum Wandel, der von FFF, Papst Franziskus und Ingrid Herta Drewing gefordert wird, beitragen wollen.

BNE-Kompetenzen

In dieser Unterrichtseinheit werden folgende BNE-Kompetenzen von Lernenden besonders gefördert.

Globale Zusammenhänge erkennen und neue Perspektiven ausbauen: Die Schüler:innen erkennen, was Nachhaltigkeit (nicht nur) aus christlicher Sicht bedeutet und reflektieren individuelle Handlungsmöglichkeiten zum Erhalt der Schöpfung.

Fächerübergreifend Erkenntnisse gewinnen: Die Schüler:innen nutzen einen literarischen Text (Gedicht) zur Reflexion des Begriffes Nachhaltigkeit und nutzen erlernte Fähig- und Fertigkeiten zur Analyse und Interpretation von Bibelstellen im Kontext des Schöpfungsauftrags.

Gemeinsam mit anderen planen und handeln: Die Schüler:innen erarbeiten alleine, in Partnerarbeit und in der Gruppe eine Begriffsdefinition zur Nachhaltigkeit und reflektieren die Bedrohung der Schöpfung durch nicht-nachhaltige Verhaltensweisen.

Sich und andere motivieren können, aktiv zu werden: Die Schüler:innen suchen gemeinsam nach Beitragsmöglichkeiten zu einem nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung und setzen sich reflektiert mit dem Schöpfungsauftrag auseinander.

Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren: Die Schüler:innen reflektieren die Bedeutung von Nachhaltigkeit und setzen sich kritisch mit Bedrohungen der Schöpfung sowie eigenen zu deren Erhalt auseinander.

Selbstständig planen und handeln: Die Schüler:innen sammeln in Gruppen unterschiedliche Ideen für konkrete Maßnahmen des Umweltschutzes und bewerten diese diskursiv im Plenum.

Mehr Informationen zum Zusammenhang von BNE-Kompetenzen von Lernenden und Lehrenden

Quellenverzeichnis

Die Bibel. Einheitsübersetzung, hrsg. im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart 2019

Drewing, Ingrid Herta, Nachhaltigkeit. Abrufbar unter: https://www.ingriddrewing.de/?m=201607&paged=3 (Stand: 18.09.2023).

Franziskus, Papst (2015): „Laudato si“. Enzyklika über die Sorge für das gemeinsame Haus. Bonn: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz.

Vogt, Markus (2018): „Laudato Si”: ein neues Kapitel in der Geschichte der katholischen Soziallehre. In: F. Braun und C. Ettle (Hrsg.): „Laudato Sí“: Gemeinsam die Welt FAIRändern (Anstiftungen zum gemeinsamen Tun), Nürnberg, 22-26.

WCED – World Commission on Environment and Development (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (hrsg. von Volker Hauff). Eggenkamp: Greven. Auf Deutsch abrufbar unter: http://www.nachhaltige-entwicklung-bilingual.eu/de/was-ist-nachhaltigkeit/brundlandt-bericht-1987-deutsch.html (Stand: 18.09.2023)